Ich erlebe das immer wieder: Wenn ich eine Coachee eine Zeitlang begleitet habe und zum Abschluss um eine Referenz für meine Website bitte, bekomme ich meist eine positive Rückmeldung. Das Schreibcoaching war hilfreich und jede, die meine Unterstützung in Anspruch genommen hat, würde mich auch weiterempfehlen. Und selbstverständlich darf ich diese Einschätzung veröffentlichen – „aber bitte nicht mit meinem vollen Namen“.

In dem Moment frage ich mich dann: Wo ist hier das Problem? Oder wovor haben meine Coachees Angst?

Unwissenheit ist die Ursache der Unsicherheit

„Wenn ich im Studium gewusst hätte, dass es so etwas gibt, hätte ich auf jeden Fall ein Schreibcoaching genutzt,“ ist eine übliche Reaktion darauf, wenn ich von meiner Arbeit erzähle. Das freut mich natürlich. Andererseits wird mir dadurch auch klar, dass viele Menschen nicht wissen, was ein Schreibcoaching ist oder eine falsche Vorstellung davon haben.

Ich möchte mit diesem Beitrag Aufklärungsarbeit zum wissenschaftlichen Schreibcoaching leisten und versuchen, ein paar Vorurteile aus der Welt zu schaffen.

Vorurteil 1: Bei wissenschaftlichen Arbeiten darf man sich nicht helfen lassen

Im Erstgespräch werde ich oft gefragt: „Ist so ein Schreibcoaching überhaupt erlaubt?“ und antworte dann: Ja, Sie dürfen und sollen sich Hilfe holen – egal vom wem und in welcher Situation.

Sie können zum Beispiel Ihre Betreuerin kontaktieren und mit ihr das Thema, den Umfang oder die Herangehensweise in der Arbeit absprechen. Oder Sie bitten eine Freundin, Ihnen Rückmeldung zum Verständnis Ihres Textes zu geben. Und wenn Ihnen die Lust zum Schreiben fehlt, können Sie sich eine Schreibgruppe suchen und durch den Austausch mit Gleichgesinnten immer wieder für einen neuen Motivationsschub sorgen.

Im Schreibcoaching bekommen Sie genau in diesen Bereichen Unterstützung. Dabei lernen Sie vor allem, sich und Ihren Text zu strukturieren.

Ganz wichtig: Schreibcoaching ist kein Ghostwriting! Am Ende steht zwar – ebenso wie beim Ghostwriting – die abgabefertige Arbeit. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass Sie die Arbeit selbst geschrieben haben. Und genau diese Erfahrung ist jede Anstrengung wert.

Sprechen Sie mit Ihrer Betreuerin darüber, dass Sie Interesse an einem Schreibcoaching haben. Sie wird diese Entscheidung wahrscheinlich begrüßen und Ihr persönliches Engagement zu schätzen wissen.

Vorurteil 2: Wenn ich nicht schreiben kann, hilft auch kein Schreibcoaching

Schreiben ist ein Handwerk. Es kann erlernt werden. Der Unterschied zwischen der Gesellin und der Meisterin liegt, ähnlich wie beim Tischlern oder Töpfern, in der Übung – also und im fachkundigen Umgang mit dem Handwerkszeug.

Im Schreibcoaching bekommen Sie Methoden an die Hand, die Ihnen Halt im Schreibprozess geben. Sie lernen nicht nur, wichtige Informationen von unwichtigen zu trennen, Prioritäten zu setzen oder sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Sie bekommen im Laufe der Zeit auch ein Gefühl dafür, in welchem Verhältnis zum Beispiel Recherche- und Schreibarbeit stehen sollten und wissen demnach, wann Sie aufhören sollten zu lesen.

Je mehr Übung Sie haben und je zielsicherer Sie die Methoden anwenden, desto besser werden Ihre Texte. Diese Sicherheit schafft Motivation und lässt Sie immer besser werden.

Vorurteil 3: Wissenschaftlich Arbeiten lernt man doch im Studium

Sie haben alle Pflichtmodule zum wissenschaftlichen Arbeiten belegt und dabei bestimmt auch viel gelernt. Eigentlich müssten Sie jetzt wissen, wie man eine gute Hausarbeit schreibt. Theoretisch ist alles klar. Praktisch funktioniert es aber nicht, weil der Teufel meist im Detail steckt.

Wenn Sie im Schreibprozess festhängen und nicht vorankommen, weil Sie das vorhandene Wissen gerade nicht in die Praxis umsetzen können, reicht manchmal schon ein kleiner Hinweis, um weiterarbeiten zu können.

So kann es zum Beispiel sein, dass Sie sich ein sehr interessantes Thema gesucht haben, aber mit der Eingrenzung nicht zurechtkommen: Was müssen Sie in der Arbeit behandeln, was darf als (fachbezogenes) Allgemeinwissen vorausgesetzt werden und was dürfen Sie guten Gewissens einfach weglassen? Das sind Fragen, die nicht pauschal beantwortet werden können.

Im Schreibcoaching bekommen Sie genau die Unterstützung, die Sie gerade brauchen – und Antworten auf die Fragen, die Sie im Seminar (noch) nicht stellen konnten.

Übrigens: Für Sie sollte es kein Problem sein, dass ich von Ihrem Fach keine Ahnung habe. Denn ich muss gar nicht verstehen, worüber Sie schreiben. Meine Aufgabe ist es vielmehr, darauf zu achten, dass Ihre Arbeitsbedingungen stimmen. Dabei kontrolliere ich natürlich auch, ob Sie sich auf Ihre Forschungsfrage konzentrieren und die formalen Kriterien einhalten.

Der Blick von außen (also der einer Fachunkundigen) ist sogar von Vorteil. Wenn ich etwas in Ihrer Argumentation nicht verstehe, dann frage ich nach. Das ist meist der Hinweis für Sie, an der einen oder anderen Stelle etwas präziser zu werden, einen kurze Definition zu geben oder fehlende Verknüpfungen herzustellen.

Tun Sie (sich) Gutes und sprechen Sie über Ihr Schreibcoaching!

Wenn Sie merken, dass Sie im Schreibprozess feststecken, sollten Sie sich Unterstützung suchen.

In vielen Bereichen unseres Lebens holen wir uns, ohne lange darüber nachzudenken, Hilfe. Wenn Sie zum Beispiel keine Ahnung vom Steuerrecht haben oder das Belege sortieren lieber anderen überlassen, ist das kein Problem. Sie suchen sich eine Steuerberaterin und übergeben ihr diese Arbeit. Das ist üblich und dadurch auch gesellschaftlich akzeptiert: Sie machen das, was andere auch tun, und brauchen sich dafür nicht zu rechtfertigen.

Beim wissenschaftlichen Schreiben scheint das anders zu sein. Hier ist es nicht üblich, sich Hilfe zu holen. Und wenn Sie sich dennoch dafür entscheiden, werden Sie das wahrscheinlich für sich behalten und nicht an die große Glocke hängen. Das ist schade, denn so erfahren die Menschen in Ihrem Umfeld nicht, dass es diese Möglichkeit der Unterstützung überhaupt gibt und welche Erfahrungen Sie damit gemacht haben.

Wer sich helfen lässt, ist mutig

Nicht selten wird der Wunsch danach, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, als Schwäche interpretiert oder als Unfähigkeit, allein mit der Situation fertig zu werden. Sich helfen zu lassen ist jedoch kein Ausdruck von Schwäche! Es ist vielmehr eine Entscheidung, die Ihnen viel Zeit und Nerven sparen kann.

Bevor Sie sich vertrauensvoll an eine Schreibcoach wenden können, müssen Sie sich jedoch eingestehen, dass Sie das aktuelle Problem nicht ohne fremde Hilfe lösen können oder wollen. Das ist für manch eine schon die erste Hürde. Mit dem Wissen, dass es anderen genauso geht, wäre sie bestimmt leichter zu nehmen. Aber leider spricht ja keine darüber …

Mit diesem Beitrag möchte ich Ihnen Mut machen, sich Unterstützung beim Schreiben zu holen – und darüber zu reden. Denn nur so können Ihre Freundinnen und Kommilitoninnen auch von Ihren Erfahrungen profitieren. Damit sorgen Sie dann für mehr Akzeptanz in der Gesellschaft.