Eigentlich grenzt es schon fast an ein Wunder, dass wir Menschen – scheinbar ohne große Anstrengung – Kommunikation betreiben können. Denn in den meisten Fällen kommen unsere Botschaften auch tatsächlich so bei unsererm Gegenüber an, wie wir sie losgeschickt haben. Und im Idealfall werden sie auch richtig verstanden. Doch manchmal auch nicht.
Wenn wir uns missverstehen, liegen die Ursachen dafür meist auf dem Übertragungsweg oder sind auf Fehlinterpretation zurückzuführen. Dabei fasst die Hörerin die Nachricht anders auf als die Sprecherin das wollte. Missverständnisse dieser Art lassen sich – auch beim Schreiben – auf ein Minimum reduzieren. Dafür brauchen Sie zum einen das Wissen über die Prozesse, die während der Kommunikation ablaufen, zum anderen etwas Übung.
Sehen wir uns zunächst an, wie Kommunikation überhaupt funktioniert.
Was Sie schon immer über Kommunikation wissen wollten
Wenn wir einem anderen Menschen etwas sagen wollen, geht das nicht auf direktem Weg. Wir benötigen ein Medium, das unsere Gedanken zum Gegenüber trägt.
Im Lauf der Zeit haben wir Menschen verschiedene Kommunikationsmedien entwickelt. Sie basieren auf Lauten (unsere Sprache), auf Zeichen (unsere Schrift) oder anderen Konventionen (Ausdruckstanz, Gebärdensprache etc.). Leider funktioniert keines dieser Medien störungsfrei. Jedes bringt andere Vor- und Nachteile mit sich. Dazu später mehr.
In der Regel läuft Kommunikation in drei Schritten ab:
- Die Gedanken der Sprecherin werden kodiert, zum Beispiel in Worte
- Die Worte der Sprecherin werden übertragen, das ist die Nachricht
- Die Nachricht wird von der Hörerin dekodiert und in Gedanken umgewandelt
Das Sender-Empfänger-Modell nach Shannon & Weaver illustriert das:
In der Praxis ist das nicht ganz so einfach. Denn bei der Verwendung von Worten können keine festen Werte (so wie Nullen und Einsen) übertragen werden. Die Sprecherin schickt vielmehr Informationen los, die die Hörerin in ihre Gedankenwelt einsortieren muss. Bei der Einordnung der Informationen interpretiert die Hörerin die Nachricht. Sie greift dabei vor allem auf ihre Erfahrungen und ihr vorhandenes Wissen, aber auch auf ihre Gefühle (und die Beziehung zur Sprecherin) zurück.
Stimmen die Gedankenwelt der Sprecherin und der Hörerin – zumindest halbwegs – überein, funktioniert die Kommunikation. Unterscheiden sich die Gedankenwelten oder zieht die Hörerin falsche Schlüsse aus der Nachricht, kommt es zu einem Missverständnis:
Missverständnisse dieser Art lassen sich vermeiden oder verringern, wenn die Sprecherin sich klar und verständlich ausdrückt. Damit stellt sie sicher, dass der Hörerin nicht allzu viel Interpretationsspielraum bleibt.
Die Sprecherin kann darüber hinaus noch für einen „common ground“ sorgen, einen gemeinsamen Informationshintergrund. Dazu reichert sie die Gedankenwelt der Hörerin so an, dass sie – zumindest in den relevanten Bereichen – ihrer eigenen entspricht.
Geben Sie ausreichend Hintergrundinformationen
Während sich im Gespräch eventuelle Missverständnisse schnell durch Nachfragen aus dem Weg räumen lassen, ist diese „situative Kurskorrektur“ in der schriftlichen Kommunikation nicht möglich. Eventuelle Missverständnisse sollten Sie als Autorin deshalb schon im Vorfeld ausschließen.
Machen Sie sich zunächst bewusst, dass die Leserin Ihren Text nicht exakt so aufnehmen kann, wie Sie ihn geschrieben haben. Sie interpretiert und wird dadurch vielleicht zu ganz anderen Schlüssen kommen, als Sie das beabsichtigt haben. Es liegt jedoch in Ihrer Macht, der Leserin das Verständnis zu erleichtern:
Versuchen Sie, den Interpretationsspielraum der Leserin so klein wie möglich zu halten.
Wenn Sie die Leserin mit ausreichend Hintergrundinformationen versorgen, wird sie Ihre Botschaften besser in ihre Gedankenwelt einordnen können und Sie damit auch besser verstehen.
Im Idealfall sollte die Leserin immer genau die Information bekommen, die sie zum Verständnis des Textes braucht – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Deshalb stellt sich für Sie die Frage: Woher wissen Sie, welche Informationen die Leserin braucht?
Setzen Sie sich die „Leserinnenbrille“ auf
Beim Schreiben sollten Sie sich nicht nur auf Ihre Daten und Ihre Argumentation konzentrieren, sondern gelegentlich auch mal die Perspektive wechseln. Sehen Sie sich Ihren Text aus der Sicht Ihrer Leserinnen an und fragen Sie sich:
Was muss die Leserin wissen, um meiner Argumentation folgen zu können?
Grundsätzlich gilt: Je tiefer Sie in ein Thema eingestiegen sind, desto mehr müssen Sie an Hintergrundinformationen liefern und erklären.
Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema und dem damit verbundenen Wissenszuwachs sind Sie im Laufe des Schreibprozesses zur Expertin geworden. Da kann es vorkommen, dass Sie Ihren Text mit Scheuklappen betrachten – also ohne Rücksicht auf Ihr Gegenüber: Ihnen ist alles klar. Doch Ihre Leserin versteht überhaupt nicht, was Sie ihr damit sagen wollen.
Die Entscheidung, welches Hintergrundwissen Sie mit Ihrem Text liefern müssen, hängt in der Regel vom Vorwissen der Leserin ab. Sie sollten sich also Gedanken über den zu erwartenden Wissensstand Ihrer Leserinnen machen. Überlegen Sie sich:
Für wen schreibe ich beziehungsweise wer ist die Zielgruppe meines Textes?
Bei einem Fachtext können Sie ein gewisses Grundwissen voraussetzen. Ein Text, der sich an ein Laienpublikum richtet, sollte hingegen viel mehr Informationen und allgemeinverständliche Erklärungen enthalten.
Entscheiden Sie am besten anhand von „Personas“, welche Bereiche Sie wie umfangreich darstellen müssen. Entwickeln Sie sich ein oder mehrere dieser Profile, denen Sie charakteristische Eigenschaften Ihrer Leserinnen zuordnen.
Beziehen Sie dabei am besten auch die Wünsche und Bedürfnisse Ihrer fiktiven Leserin mit ein:
Was erwartet die Leserin vom Text?
Um auf die Erwartungen eingehen zu können, müssen Sie wissen, auf welche Fragen sie nach Antworten sucht. Finden Sie deshalb heraus: Woran ist Ihre Leserin interessiert? Was will sie wissen? Was sind die Herausforderungen, bei denen sie sich Unterstützung wünscht?
Wenn Sie die „pain points“ Ihrer Leserin kennen, können Sie gezielt darauf eingehen und ihr Lösungen aufzeigen. Das ist die Grundlage interessanter Lektüre.
Vermeiden Sie Fehlinterpretationen
Bedenken Sie, dass die Erwartungshaltung der Leserin bei der Interpretation Ihrer Informationen eine große Rolle spielt – und es in Ihrer Hand liegt, den Interpretationsspielraum so klein wie möglich zu halten.
Erwartet die Leserin zum Beispiel – vielleicht wegen einer unüberlegt gewählten Überschrift – ganz bestimmte Informationen, wird sie enttäuscht sein, wenn es im Text um etwas ganz anderes geht. Schlimmer noch: Sie kann auch das Interesse am Text verloren haben und ist deshalb nicht mehr zugänglich für Ihre Botschaften. In dieser Situation wird sie selbst gut aufbereitete Informationen nicht mehr aufnehmen.
Stellen Sie deshalb von Anfang an klar, was Ihr Text „leisten“ kann und welche Funktion er erfüllen soll. Sagen Sie an geeigneter Stelle auch, was Ihr Text nicht kann. Damit helfen Sie Ihrer Leserin bei der Interpretation und ersparen ihr Enttäuschungen.
Neueste Kommentare