Texte haben einen Rhythmus? Ja, ob Sie es glauben oder nicht: Das geschriebene Wort besteht nicht nur aus aneinander gereihten Buchstaben. Jeder Text hat auch einen Klang, eine Melodie, einen Rhythmus.
Hans Lösener hat sich eingehend mit dem Rhythmus in unserer Sprache beschäftigt und weiß aus diesem Grunde: „Sprachrhythmus ist etwas Alltägliches. Man trifft überall auf ihn, in der Dichtung, in der Werbung, in dem banalsten Gespräch und in den heiligsten Texten“ (Hans Lösener, Der Rhythmus in der Rede 1999: 18).
Wenn Sie einen Text lesen, können Sie sagen, ob Ihnen die Lektüre gefällt oder Sie den Inhalt ansprechend finden. Manchmal spüren Sie auch, dass das Geschriebene Sie irgendwie berührt. Diese Emotionalität hängt gewöhnlich mit dem Thema zusammen, es kann aber auch durch den Sprachrhythmus hervorgerufen werden.
Hören Sie auf den Rhythmus Ihres Textes und setzen Sie ihn bei der Textarbeit wirkungsvoll ein!
Ein gut auf den Inhalt abgestimmter Rhythmus unterstützt das Textverständnis – und er kann zum Unterbewusstsein der Leserin vordringen.
Sprechen Sie es aus – und entdecken Sie den Rhythmus
Texte haben einen Rhythmus. In den Buchstaben auf einem Blatt Papier oder am Bildschirm erkennen wir natürlich noch keine Melodie. Wir wissen aber oder fühlen vielleicht auch nur, dass auch Texte einen Rhythmus haben. Um den Klang oder die Melodie Ihres Textes erfassen zu können, müssen Sie sich zunächst einmal auf die Suche nach dem Rhythmus machen.
Der Sprachrhythmus eines Textes wird Ihnen erst bewusst, wenn Sie das Geschriebene LAUT vorlesen. Beim stillen Lesen nehmen Sie vor allem die Thematik auf. Den Rhythmus erkennen Sie durch lautes Lesen.
Erwecken Sie Ihren Text zum Leben. Erfreuen Sie sich an der Melodie Ihrer Worte.
So unglaublich das jetzt klingen mag, die Idee dahinter ist ganz einfach: Durch das Aussprechen werden die geschrieben Wörter zu Sprache. Das ist notwendig. Denn nur in der (gesprochenen) Sprache nehmen wir die Muster wahr, die wir mit Klang, Melodie oder auch Rhythmus in Verbindung bringen.
Der Sprachrhythmus unterstützt die Wirkung des Inhalts
Ähnlich wie sprachliche Bilder oder emotional aufgeladene Erzählungen wirken auch der Klang und die Melodie eines Textes auf unsere Wünsche und Bedürfnisse ein. Wenn Sie den Sprachrhythmus an den Inhalt oder Ihre Aussage anpassen, hat das einen positiven Effekt auf das Verständnis des Textes.
Das geschriebene Wort kann nicht nur Bilder erzeugen, es kann auch zu Musik werden. Geben Sie Ihren Mitteilungen einen Rhythmus, der sich am Informationsgehalt orientiert! Nutzen Sie die unendlichen Möglichkeiten und rücken Sie Ihre Worte in das richtige Licht. Spielen Sie mit dem Sprachrhythmus. Wenn Sie diesen optimal einsetzen, wird selbst aus einem Sachtext eine Symphonie.
Harmonische Texte erleichtern das Verständnis
Melodische Texte sind leise und unauffällig. Sie weisen eine geordnete Struktur auf und haben dadurch einen sehr hohen Informationswert. Dieser Rhythmus ist bei komplexen Themen angezeigt, die eine Vielzahl von Argumenten beinhalten.
Brechen Sie große Themenbereiche auf und behandeln Sie jede relevante Information in einem eigenen Absatz. Arbeiten Sie am besten nach dem Drei-Punkte-Plan:
1. Die Ouvertüre: Der kraftvolle Auftakt
Beginnen Sie jeden Absatz mit einer thematischen Einleitung. Dadurch sichern Sie sich die Aufmerksamkeit der Leserin. Versetzen Sie sich in die Lage Ihres Gegenübers. Fragen Sie sich: Welche vorbereitenden Informationen braucht meine Gesprächspartnerin, um meiner Argumentation folgen zu können?
Gehen Sie nicht nur auf die thematisch relevanten Bereiche ein. Berücksichtigen Sie auch die Erwartungen und die Bedürfnisse Ihrer Leserin.
2. Der Hauptteil: Die stimmigen Argumente
Präsentieren Sie nun Ihr Argument. Nehmen Sie Ihre Leserin dabei an die Hand und führen Sie sie durch Ihren Text. Halten Sie sich dabei immer an das KISS-Prinzip:
Schreiben Sie einfache Sätze
Mit kurzen Hauptsätzen, die jeweils nur eine Aussage enthalten, stellen Sie sicher, dass Ihre Botschaften richtig ankommen. Das verhindert auch Fehlinterpretationen.
Beschränken Sie sich auf das Wesentliche
Geben Sie Ihrer Leserin immer nur die Informationen, die sie gerade braucht – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Leere Phrasen oder langatmige Ausschweifungen bringen keinen Mehrwert. Sie langweilen nur oder lenken vom Thema ab.
Strukturieren Sie Ihren Text
Achten Sie auf einen nachvollziehbaren Aufbau Ihrer Argumentation. Beginnen Sie mit leicht verständlichen Themen. Gehen Sie dann Schritt für Schritt zu den komplexeren Bereichen über.
Stellen Sie Verbindungen zwischen Informationen her, die inhaltlich zusammengehören. Schaffen Sie Anknüpfungspunkte und thematisieren Sie Gemeinsamkeiten ebenso wie Unterschiede.
Übergänge erleichtern der Leserin das Textverständnis. Sie verweisen auf wichtige Informationen und helfen dabei, den „roten Faden“ in Ihrer Argumentationskette zu erkennen.
3. Das Fazit: Das fulminante Finale
Beenden Sie jeden Absatz mit einer kurzen Zusammenfassung. Stellen Sie die jeweilige Kernaussage heraus und betonen Sie die Relevanz Ihrer Ausführungen. Ein gutes Fazit fasst nicht nur die bisher gegebenen Informationen zusammen, es leitet auch geschickt zum nächsten Absatz über.
Melodische Texte weisen eine leserfreundliche Struktur auf. Mit dieser können Sie Ihren Leserinnen selbst die komplexesten Themen näher bringen.
Ungünstigerweise kann unser Gehirn diese Informationsdichte auf Dauer nicht oder nur unzureichend verarbeiten. Es ermüdet schnell und schaltet irgendwann ab. Die Leserin kann Ihnen und Ihren Ausführungen dadurch nicht (mehr) die notwendige Aufmerksamkeit entgegenbringen. Sie verlangt nach Abwechslung.
Mit unmelodischen Passagen sichern Sie sich Aufmerksamkeit
Unmelodische Texte erregen Aufmerksamkeit. Sie sind markant, fallen aus dem Rahmen, stechen hervor, provozieren und … wecken unser Interesse.
Diese Texte können holpern und stottern. Sie sind fordernd, grell und laut. Damit zeigen sie der Leserin, dass es sich um eine ganz spezielle Information handelt. Eine Information, die sich von den anderen unterscheidet.
Unmelodische Texte rufen eine Dissonanz hervor. Der Fehlklang markiert oft einen Kontrast.
Kontrast bedeutet immer „Achtung“: Liebe Leserin, jetzt kommt eine Kernaussage! Die Hervorhebung bestimmter Argumentationsteile hilft uns dabei, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Die Leserin kann sich so besser auf das Wesentliche Ihrer Ausführungen konzentrieren. Das erleichtert nicht nur das Verständnis, es fördert auch die Merkfähigkeit.
Mit kontrastiven Darstellungen laden Sie die Leserin zu einem Perspektivwechsel ein. Bringen Sie sie zum Nachdenken. Animieren Sie sie, die Dinge mal in einem anderen Licht zu sehen. Die Einbeziehung verschiedener Positionen rundet jedes Bild ab. Denn sobald wir die Argumente der Gegenseite kennen, können wir diesen auch besser entgegen treten.
Die Mischung macht’s
Während leserfreundliche Texte auf Nähe, Verständnis und respektvollem Miteinander bauen, arbeiten unmelodische Texte mit der Distanz zur Leserin. Die Dissonanz erlaubt eine konstruktive und ehrliche Auseinandersetzung mit dem Thema und schafft damit eine stark sachbezogene Basis.
Beide Textformen erfüllen einen bestimmten Zweck. Aus dem Zusammenspiel, also dem Wechsel zwischen melodischen und unmelodischen Texten, ergibt sich das Gesamtkunstwerk.
Nutzen Sie das Potenzial, das in Ihren Texten steckt. Stellen Sie die leisen den lauten Rhythmen gegenüber.
Sie werden erstaunt sein, welche Wirkung Sie mit einem ausgeglichenen Verhältnis der verschiedenen Stile erzielen können.
Der Rhythmus ist der Herzschlag Ihres Textes
Seien Sie sich der Wirkung des Rhythmus bewusst und setzen Sie ihn bewusst ein. Experimentieren Sie einfach mal: Bringen Sie Tempo in Ihre Aussage. Oder schaffen Sie Klarheit durch langsame, gefällige Strukturen.
Suchen Sie nach den Kernaussagen und kennzeichnen Sie diese deutlich durch Dissonanz. Achten Sie jedoch immer darauf, dass Ihrer Leserin dabei genug Zeit bleibt, die Vielzahl an Argumenten auch zu verarbeiten. Dabei helfen melodische Passagen.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Ausprobieren
Wenn Sie sich weitergehende Unterstützung bei der Optimierung Ihrer Texte oder bei der Verbesserung Ihres Schreibstils wünschen, stehe ich Ihnen gerne als Schreibcoach zur Verfügung.
Sehr interesssant und informativ! Danke!
Toller Beitrag! Das ist wertvolles Wissen, das man nicht oft in Schreibtipps findet – gern mehr davon :).
Vielen Dank für das nette Feedback und das Interesse an meinem Blog!
Spannend! Das mit dem Laut lesen ist genial. Da merkt eine gleich, wo der Text holpert, hängen bleibt, einfach nicht weiter geht…
Das mit der bewußt eingesetzten Dissonanz kenne ich aus den Chansons der 20er Jahre . Da nenne ich es: „rin in den Kitsch und raus aus dem Kitsch“ – eine tolle Idee, das auch in berufliche/geschäftliche/wissenschaftliche Texte einzubauen.
HALT LIEBER LESER, DAS IST JETZT WICHTIG! Ick freu mir schon riesig auf Deine nächsten Blogs.
Danke, liebe Margret, für das Lob und die pointierte Zusammenfassung. Ja, es ist überaus gewinnbringend, vorhandenes Wissen zu nutzen oder Methoden, die sich in anderen Bereichen etabliert haben, beim eigenen Thema auszuprobieren. Das werde ich auch weiterhin so machen, versprochen!
Ich bin zufällig bei der Recherche zu Textrythmus auf diesen Beitrag gestoßen. Den Text laut vorlesen bringt sehr viel. Ich habe für mich bei Word die Vorlesefunktion entdeckt und bin begeistert. Zwar klingt die Stimme etwas abgehackt, aber das stört nicht. Meinen Texten hat das Vorlesen doch einigen Schliff gebracht. Und Ihr Beitrag einige gute Hinweise sowie Ideen. Danke
Hallo Angelika, vielen Dank für diese Rückmeldung. Es freut mich zu hören, dass meine Tipps so gut ankommen. Wenn Sie regelmäßig Tipps zum entspannten Schreiben bekommen wollen, können Sie gerne meinen Newsletter abonnieren – und bei konkreten Fragen zur Verbesserung des Schreibprozesses dürfen Sie mich auch direkt kontaktieren.
Klasse, wie Sie ein Texterlebnis beschreiben und vermitteln! Grosses Kompliment!
Ich bin auf Ihre Seite gestossen, weil ich tatsächlich einen Rhyhtmus aus text generieren will. Bis jetzt versuchte ich das aus Buchstabenkombinationen, weil es einfacher schien. Jetzt muss ich mich wohl mit der Windows-Stimme auseinandersetzen:)
Danke, Herr Hänggi, für das Kompliment. Ich würde den Versuch, einen Rhythmus in Buchstaben- oder Silbenkombinationen zu suchen, nicht so schnell aufgeben. Länge und/oder Gewicht von Vokalen sollten ebenso wie Sprech- bzw. Lesegeschwindigkeit wichtige Parameter zur Bestimmung des Textrhythmus sein. Ich würde mich freuen, mehr über Ihre bisher gewonnenen Erkenntnisse zu erfahren.